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Erwerbsobliegenheit

Insbesondere beim Ehegattenunterhaltspielt die Frage eine Rolle, ob, ab wann und in welchem Umfang der unterhaltsbegehrende Ehegatte zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (oder zur Ausweitung der bisherigen Erwerbstätigkeit) verpflichtet ist. Natürlich ist dem zum Ehegattenunterhalt verpflichteten Ehegatten daran gelegen, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte seinen Unterhaltsbedarf möglichst weitgehend durch eigene Erwerbseinkünfte deckt, was zur Reduzierung der Unterhaltspflicht führt.

Programmsätze wie „Die kann arbeiten, wenn sie nur will“ führen hier nicht weiter.

Im Grundsatz gilt: Ab dem Zeitpunkt der Trennung billigt die Rechtsprechung beiden Ehegatten zu, es zunächst bei dem bisherigen Status – regelmäßig für ein Jahr – zu belassen. Keiner der Ehegatten soll gezwungen werden, durch eine Aufnahme oder Ausweitung der Erwerbstätigkeit seine Entscheidung über das Beibehalten der Trennung oder die Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft beeinflusst zu werden. Es besteht insoweit eine Parallele zu den ähnlich motivierten Auffassungen der Rechtsprechung bzw. des Gesetzgebers zum Trennungsjahr als Voraussetzung der Scheidung oder bei der Bemessung der Höhe des Wohnvorteils.

In gewisser Weise werden die ehelichen Lebensverhältnisse, so wie sie bis zum Zeitpunkt der Trennung geprägt waren, über eine Zeitspanne von einem Jahr in dieser Hinsicht fortgeführt.

Ist das erste Trennungsjahr vorbei, sollten sich die Beteiligten darüber im Klaren sein, ob es bei der Trennung bleibt, oder ob die eheliche Lebensgemeinschaft wieder aufgenommen wird.

Bleibt es bei der Trennung, wird beiden Ehegatten zugemutet, sich auf die veränderte persönliche Situation auch mit der Folge einzustellen, dass die bisherigen – die ehelichen Lebensverhältnisse prägenden – wirtschaftlichen Verhältnisse verändert werden. Es herrscht der Grundsatz, dass nach Ablauf des ersten Trennungsjahres erwartet wird, dass sich die Beteiligten auf ein getrenntes Leben einrichten, was auch bedeutet, dass sie in wirtschaftlicher Hinsicht Richtung Eigenverantwortung gehen, die ab dem Zeitpunkt der Scheidung auch von den früheren Ehegatten gesetzlich erwartet wird.

Nach Ablauf des ersten Trennungsjahres sind deshalb beide Ehegatten dazu verpflichtet, in der Höhe Erwerbseinkommen zu erwirtschaften, wie sie es unter Berücksichtigung ihres Ausbildungsniveaus und unter Berücksichtigung sonstiger Verpflichtungen tun können.

Das bedeutet: Teilzeitbeschäftigungen sind grundsätzlich zur Vollzeitbeschäftigung auszuweiten, es sei denn, dass diesem Erwerbsumfang Gründe entgegenstehen.

Dies ist bei Ehegatten, die ein oder mehrere minderjährige Kinder aus der Ehe betreuen, häufig ein Zankapfel. Denn es geht um die Frage, ob und in welchem Umfang eine Betreuungsbedürftigkeit der Kinder besteht, die der Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit entgegensteht.

Auch hier gibt es keine schematischen Lösungen, es kommt auf den Einzelfall an! Es empfiehlt sich, rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen.

Häufiger Streitpunkt ist auch, inwieweit ein Ehegatte, der wegen der Ehe und/oder der Erziehung der aus der Ehe stammenden Kinder für einen längeren Zeitraum aus seiner angestammten beruflichen Tätigkeit ausgeschieden ist. Hier geht es in erster Linie um den sogenannten ehebedingten Nachteil, aber nicht selten auch um den Vorhalt, dass der betreffende Ehegatte doch schon viel früher hätte wieder in den Beruf einsteigen sollen.

Hier gilt: Jede hypothetische Betrachtung, was hätte sein können und sollen, ist rechtlich irrelevant. Entscheidend ist, wie die Eheleute ihre Ehe gelebt haben. Hat es beispielsweise dem Ehemann seit Jahren nicht gepasst, dass seine Ehefrau nicht wieder in den früheren Beruf zurückgegangen ist, hätte er sich früher trennen und scheiden lassen müssen!